Man kann und soll ja durchaus eine Meinung zum Markt haben. Wohin könnte sich der Kurs entwickeln, wie sind die makroökonomischen Umstände und warum hat eigentlich der letzte Gold Trade nicht funktioniert? Dafür gibt es Unmengen an Datenquellen. Diese helfen uns, dass wir unseren nächsten Trade bzw. unser nächstes Investment definieren und möglicherweise auch eingehen.
Allerdings gilt das umgekehrt überhaupt nicht. Du bist dem allseits bekannten, manisch-depressiven Mr. Market völlig egal. Dein Name? Egal. Deine tollen Autos? Egal. Beruf, Lebensumstände, Ego - total wumpe. Zuweilen spricht man auch von einem der fairsten Systeme überhaupt. Denn was zunächst wie ein Nachteil klingt, ist durchaus als Vorteil zu sehen. Niemand schreibt vor, dass nur Investmentbanker an der Börse aktiv sein dürfen. Oder dass du mindestens 210.000 € Jahreseinkommen haben musst. Depot eröffnen und los geht’s.
Was uns allen aber früher oder später einmal im Weg steht ist das eigene Ego (bei einigen mehr, bei anderen weniger). Denn immerhin haben WIR den Aufwand gehabt um die nächste Google, Tesla, Coca Cola (you name it) Aktie zu finden. Und dann will das Ding nicht steigen. Pech gehabt? Schön wärs. Schlimm ist, wenn man das persönlich nimmt. Denn nachfolgend mal eine kurze Liste was dem Markt eigentlich alles egal ist (*nicht abschließende Liste).
Disclaimer
Das ist, wie immer in meinen Beiträgen, keine Anlageberatung sondern meine persönliche, nicht professionelle Meinung. Du bist selbst verantwortlich für den Kauf oder Verkauf von Wertpapieren. Ebenso übernehme ich keine Haftung für Folgen, die aus einem Kauf oder Verkauf (oder dem Unterlassen dieser Aktionen) resultieren. Darüber hinaus habe ich aus dramaturgischen Gründen einfach zufällige Unternehmensnamen verwendet. Diese stellen natürlich ebenfalls keinerlei Handlungsempfehlung dar sondern sind im Fließtext beliebig austauschbar.
Einstiegskurs
Völlig unerheblich für Mr. Market ist, ob du bei BMW für 60, 70 oder gar 100 € pro Stück eingestiegen bist. Hey, schon klar dass das mit deinem hart verdienten Geld (*auf welche Art auch immer) war. Aber wenn du “unter Wasser” bist (d.h. der aktuelle Kurs unter deinem Einstiegskurs liegt), dann heißt das schlicht und einfach, dass deine Einschätzung zum jetzigen Zeitpunkt falsch war und du Konsequenzen ziehen solltest. Auf keinen Fall da sitzen und hoffen, dass jemals wieder der Einstandskurs erreicht wird (“Wenn der wieder auf 90 € hoch kommt, dann verkaufe ich alles und bin fertig mit dieser Aktie”). In manchen Fällen wird der einfach nie wieder erreicht werden. Siehe auch Ankereffekt.
Gewinnziel
Diesen Monat grün abschließen, das wäre doch was. Dazu muss Amazon nur noch bis auf 104,50 USD ansteigen und zack, dann wird der Sack zu gemacht. Problem ist nur: Who cares? Der Markt jedenfalls nicht. Ob du nun diesen Monat im Minus liegst oder dein Profittarget schon lange erreicht hast - das ist völlig unwichtig. Der Kurs wird sich dahin entwickeln wo Mr. Market den sehen möchte, unabhängig von deinem Plan.
Renteneintritt oder Sparplanstart
Wenn man so drüber nachdenkt, dann kann man sich richtig tolle Szenarien für den Renteneintritt ausmalen (*zur Veranschaulichung, kann auch jeder andere, von dir ausgesuchte, Zeitpunkt in der Zukunft sein). Hier und da etwas investieren, regelmäßig. Oder am Tiefpunkt des Bärenmarkts was kaufen (*hust) und dann einfach bis zur Rente liegen lassen. Nach Adam Riese müsste sich dann so also ein kleines oder großes Vermögen im Depot finden. So die Theorie. Wenn sich nun Mr. Market entscheidet, im Jahr deines Renteneintritts den Markt so richtig crashen zu lassen, dann schmilzt dein mitunter lange Zeit aufgebauter Gewinn zusehends. Ihn interessiert halt nicht was du geplant hast oder wie du, in dem Beispiel, deine Rente verbringen willst. Kurzum: Dein “Investment Lifecycle” ist ihm völlig egal. Wenn weg, dann weg. Behalte das im Hinterkopf.
Gefühle
Wie schon oben erwähnt sollte man Kursbewegungen nicht persönlich nehmen. Egal ob man gerade “wütend auf den manipulierten Markt” oder vollkommen euphorisch ob des letzten Trades ist - es kann jederzeit alles passieren. Gemeinhin heißt es man soll emotionslos bei seinen Entscheidungen sein - das ist damit nicht gemeint. Natürlich können wir Dinge automatisieren, aber jeder hat bestimmt schonmal emotionale Investment- / Tradingentscheidungen getroffen. Ob diese dann zu den besten zählen, die man jemals gemacht hat? Jedenfalls ist dem Markt egal wie du dich fühlst. Und wenn du schon 4 mal ausgestoppt wurdest und sprichwörtlich am Boden liegst. Das hält ihn nicht davon ab, es auch noch 5, 6, x mal zu machen. Muss man mögen oder einfach akzeptieren, dass jederzeit alles passieren kann und sich entsprechend aufstellen.
Komplexität deiner Strategie
Okay Einstein, du hast jetzt Wochen und Monate an deiner Strategie gefeilt und (im schlimmsten Fall) noch deine ganzen Indikatoren und Kennzahlen optimiert (Curve Fitting). Mega komplex was du dir ausgedacht hast, egal ob technisch oder fundamental begründet. Bestimmt lassen sich damit auch ein paar gute Entscheidungen treffen (*ohne weitere Details zu kennen). Aber letztlich gibt es keine Fleißpunkte an der Börse für besonders komplizierte oder komplexe Strategien. Den Markt interessiert nicht wie du zu deiner Meinung gekommen bist. Manchmal reicht es schon, einfach einen 200er Tagesdurchschnitt zu nehmen. Oder nur solche Unternehmen, die eine große Eigenkapitalrendite aufweisen. Who knows? Und vor allem: who cares? Keep it simple stupid. Ockhams Rasiermesser, als weiterführenden Text.
Zeit und Aufwand
Geht ein wenig in die Richtung des vorherigen Themas. Aber hier soll der Fokus auf deiner Bildschirmzeit liegen. Der Markt interessiert sich naturgemäß nicht dafür, ob du am Tag 5 Minuten oder 5 Stunden vor den Charts hängst. Im Gegenteil, das wird eher deiner Gesundheit nicht zuträglich sein (übrigens auch etwas, was dem Markt egal ist). Manchmal ist weniger mehr, aber es gibt zu viele Aspekte als das man das pauschal sagen könnte. Der Punkt ist, dass sich der Markt auch ohne dein Zutun bewegt.
Zitate von berühmten Investoren
Kein Tag vergeht ohne dass nicht irgendwo Altmeister (*in ihren jeweiligen Disziplinen) wie Warren Buffett, Peter Lynch oder Andre Kostolany zitiert werden. In Unmengen Texten und Videos müssen diese herhalten, um uns das 1x1 der Börse und des Finanzmarktes zu erklären. Aber rate mal. Nur weil du dir die besten 10 Buffett Sprüche aufgeschrieben hast wird sich der Markt trotzdem nicht daran halten müssen. Völlig egal wen du dir als Vorbild nimmst oder wessen Bücher du etliche Male gelesen hast. Wichtig ist was du daraus machst, im Sinne von einer eigenen Investmentstrategie. Den Markt selbst ist das sowas von egal ob du jetzt der neue Warren sein möchtest und sei dein Ansatz noch so toll.
Erfolg/Misserfolg
Du kannst der beste Trader der Welt sein. Oder Investor. Oder einfach nur ein Average Joe der sich jeden Montag ein 150er DAX Hebelzertifikat holt. Oder sonst was. Vertrau darauf dass es dem Markt so ziemlich egal ist wer du bist. Da gibt es nicht sowas wie “Oh, er hat nun 6 Trades in Folge versemmelt. Na dann gönne ich ihm jetzt mal einen Ehrentreffer”. Vice versa genauso. Kannst 100 mal mit deinem 5 € Gewinn richtig liegen und dann gibts einen 600 € Verlusttrade. Du siehst, wichtig ist was anderes. Was, fragst du? Risikomanagement, der heilige Gral. Dank mir später.
Aktiv vs. Passiv
Bist du lieber der Stock Picker oder sagst du: Eins, zwei ETFs ins Depot und gut ist? Mit ausgefeilten Strategien (siehe oben) hast du dir was rausgesucht, sei es das eine oder das andere. Und was könnte dem Markt gleichgültiger sein als? Irrelevant ob du meinst, dass der passive ETF auf Südchilenische Minen jetzt steigen muss. Cost average und so, wird schon passen. Nein, eben nicht. Dem Markt ist deine Herangehensweise egal und aus seiner Sicht ist deine Methodik weder besser noch schlechter als zehntausende andere - selbst nicht besser als “Pfeile werfen” um Aktien auszuwählen. Traurig, aber wahr.
Charteinstellungen
Ob es nun Heiken Ashi Kerzen sind, die logarithmische Y-Achse oder der dreifach geglätte Triple-EMA mit 25er Offset - egal. Der Kurs macht trotzdem was er will, egal was deine Einstellungen auf dem Chart sind. Was nicht heißen soll dass man darauf keine Systeme bauen kann - das geht durchaus. Nur macht der Markt nichts anders aufgrund der Einstellungen. Sollte klar sein.
Deine politischen Ansichten
Politische Börsen haben kurze Beine. Man kennt es und da mag auch was wahres dran sein. Was jedoch absoluter Unsinn ist, ist, dass deine politischen Ansichten die Börse irgendwie interessieren. Ob du nun Partei A,B oder C wählst, dich für irgendeine Sache irgendwo festklebst oder komplett unbeeindruckt von diesen Themen bist - passt schon, für Mr. Market. Auch deine ideologischen Ansichten: Geschenkt. Kannst du verbreiten wie du willst, aber den Markt interessierts nicht.
Deine eigene Meinung
Fühlt sich schon gut an wenn man eine Position eröffnet hat und diese direkt mal ins “Grün” läuft. Ha, wieder alles richtig gemacht. Und dennoch ist dem Markt egal, ob du dich gerade gut fühlst und ob du alles richtig gemacht hast oder eben nicht. Auch wenn du zwanzig mal meinst, Recht haben zu müssen - Mr. Market hat das letzte Woche, im Zweifel, um hier auch mal ein Zitat zu bemühen, kann er länger irrational bleiben als du liquide. Vielleicht ist es an der Zeit, weniger zu versuchen “Recht zu haben” sondern mehr zu versuchen “Geld zu machen”.
Outro
Diese 12 Aspekte sind gute Beispiele in denen wir uns mit dem Markt auseinandersetzen. Bei jeder Kauf- oder Verkaufsentscheidung haben wir unsere eigenen Beweggründe. Aber je eher man sich klar macht, dass nichts davon den Markt interessiert, desto leichter lebt es sich wenn der Markt gegen einen läuft. Es ist nichts persönliches. Er interessiert sich nur einfach nicht für dich. Und mit dieser kühlen Distanz solltest du ihn womöglich auch betrachten.
Und falls du jetzt noch die große Weisheit zum Schluss erwartest, das Fazit und Resümee: Da muss ich dich leider enttäuschen. Der Text dient nur zur Unterhaltung. Aber ok, wenn du unbedingt etwas mitnehmen willst: Baue dir eine Strategie und halte dich daran. Überprüfe die regelmäßig und passe dich an.
Selbst das ist dem Markt egal, aber es erhöht deine Chancen 😊.
Inspiriert von und gefunden auf https://awealthofcommonsense.com/2017/06/things-the-market-does-not-care-about/